Der Wahnsinn hinter dem Berliner Mietenwahnsinn

Berliner Mietenwahnsinn

Am 6. April 2019 fand eine Großdemonstration gegen den sogenannten Berliner Mietenwahnsinn statt. So demonstrierten mehrere zehntausend Menschen gegen steigende Mieten und Verdrängung.

Die Bewegung hinter der Demonstration („Bündnis gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“) befürwortet sogar die Enteignung von großen Immobilienkonzernen wie Deutsche Wohnen und Vonovia.

Doch woher kommt diese Wut in einer Stadt, wo die Mieten immer noch weit unter denen von anderen Metropolen liegen?

Die Frustration mancher Berliner über steigende Mieten kann nur durch die für viele überraschende Bevölkerungsentwicklung der Hauptstadt erklärt werden, sowie durch das wiederholte Versagen der Landesregierung, die richtigen Maßnahmen zu treffen.

Von „Arm, aber sexy“ zum Berliner Mietenwahnsinn

Die Bevölkerung Berlins ist in den neunziger Jahren geschrumpft, was zu einem hohen Wohnungsleerstand führte. Dank dem blieben auch in den folgenden 10 Jahren die Mieten extrem niedrig, da das Angebot die Nachfrage überwog.

Doch allmählich wurde Berlin zunehmend attraktiv. Die niedrigen Mieten spielten hier eine große Rolle, und zogen immer mehr Zuwanderer vor allem aus der kreativen Szene in die Hauptstadt.

Dies führte zu einem wachsenden kulturellen Angebot sowie zu einem Zuzug von Firmen aus der Medien und Tech Szene. Allmählich konnte sich Berlin auch über eine wachsende Gründerszene erfreuen.

Die Hauptstadt, die von ihrem damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit als „arm, aber sexy“ bezeichnet wurde, profitierte somit zunehmend von ihrem Ruf als junge, trendige, multikulturelle Metropole.

Die Grafik unten zeigt diese Bevölkerungsentwicklung mit der eindeutigen Wachstumswende in den Jahren 2001 bis 2005.

Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Demografie Portal

Durch diese Trendwende fing der Wohnungsleerstand auch allmählich an zu schrumpfen. So wurde das Angebot knapper, und die Nachfrage stieg.

Wohnungsleerstand in Berlin
Quelle: CBRE-empirica-Leerstandsindex

Die falsche Erwartungshaltung der Berliner

Leider glaubten damals viele Berliner, dass Mieten noch lange (oder für immer) niedrig bleiben würden. Und trotz ebenfalls sehr günstigen Immobilienpreisen kauften nur die wenigsten ein Eigenheim. Dies ist teilweise auf eine gewisse Risikoaversion zurückzuführen („lieber sich nicht verschulden“, „Eigentum bindet“) sowie auf damals noch höhere Zinsen und weniger großzügige Banken als heutzutage.

Hinzu kommt, dass nach einer langen Phase stagnierender Immobilienpreise in Deutschland es schwierig vorstellbar geworden war, dass sich die Preise irgendwann wieder erholen würden.

Im internationalen Vergleich sah die Entwicklung der Immobilienpreise in Deutschland prekär aus. Einige Investoren sahen dies als Chance, die aber vom Großteil der Berliner verpasst wurde.

Inflationsbereinigter Hauspreisindex
Quelle: OECD

So war Berlin für diesen Bevölkerungszuwachs nicht gewappnet. Denn der Berliner Senat hatte überhaupt nicht mit einer solchen Wachstumsdynamik gerechnet. Daher wurde, auch lange Zeit nach Beginn des Aufschwungs, konsistent zu wenig gebaut.

Zu wenig Neubau in Berlin führte zum Wohnungsdefizit

Mit der steigenden Nachfrage nach Wohnraum kam es Anfang dieses Jahrzehnts zu einem wachsenden Wohnungsdefizit in Berlin.

Berliner Mietenwahnsinn wegen Wohnungsdefizit
Quelle: Hauskauf Blog

Denn der Neubau hinkte jahrelang hinter der Anzahl benötigter Wohnungen (Bevölkerungszuwachs geteilt durch durchschnittliche Anzahl Haushaltsmitglieder).

Berliner Mietenwahnsinn: benötigte Wohnungen vs Neubau
Quelle: Amt für Statistik Berlin Brandenburg, Hauskauf Blog

Erst 2018 fielen die beiden Zahlen („Benötigte Wohnungen“ und „Gebaute Wohnungen“) ungefähr ins Gleichgewicht, doch war es in den vorigen Jahren (2010 bis 2018) angesichts des Neubaumangels zu einem kumulativen Defizit von 120.000 Wohnungen gekommen.

Was hatte das Wohnungsdefizit für Konsequenzen?

Weil Wohnraum knapper wurde stiegen entsprechend die Mieten und die Preise von Immobilien.

Hinzu kam, dass nach der Finanzkrise von 2008 und der darauffolgenden Rezession die Europäische Zentralbank die Zinsen senkte und so niedrig hielt, dass ein Hauskauf in Berlin oder ein dortiges Immobilien Investment umso attraktiver wurde.

Und was wurde aus den Mietern, die keine Wohnung mehr kriegten? Es vermehrten sich die Wohngemeinschaften (WGs) mit mehr als zwei oder drei Mitbewohnern. Andere blieben länger bei ihren Eltern leben, zogen zu ihnen zurück oder zu ihren Lebenspartnern. Manche konnten sich bei unverändertem Einkommen die höheren Mieten nicht mehr leisten, daher auch die wachsende Wut vieler Berliner Mieter über das Phänomen der Verdrängung.

Aufgrund dessen stieg auch in den letzten Jahren die Durchschnittsanzahl der Mitglieder pro Haushalt von c. 1.8 auf knapp unter 2.0. Während viele Berliner zuvor noch den Luxus hatten, allein oder zu zweit auf großen Flächen zu wohnen, wurde auch der Wohnraum pro Einwohner mit den steigenden Quadratmeterpreisen allmählich knapper.

Wie viel Neubau ist nötig, um den Berliner Mietenwahnsinn zu beenden?

Zwar zeige ich oben, dass im Jahr 2018 zum ersten Mal der Neubau in Berlin dem Bevölkerungswachstum ungefähr entsprach (wenn man von knapp unter 2 Personen pro Wohneinheit ausgeht).

Berlin müsste aber nicht nur weiter bauen wie 2018 und gleichzeitig das Bevölkerungswachstum auf ca. 35.000 beibehalten. Vielmehr müssten ebenfalls 20.000 Wohnungen pro Jahr zusätzlich gebaut werden über die nächsten 6 Jahre, damit Nachfrage und Angebot ins Gleichgewicht fallen. Also insgesamt 37,500 neue Wohneinheiten pro Jahr. Nur dann würden Immobilienpreise und Mieten nicht mehr steigen.

Neubau gegen Mietenwahsinn in Berlin
Quelle: Hauskauf Blog

Baugenehmigungen sinken wieder wegen Angst vor dem Mietendeckel

Wie unten abgebildet ist es aber leider so, dass aufgrund der Baugenehmigungen der letzten Jahre mit nur ca. 17.000 neuen Wohneinheiten pro Jahr zu rechnen ist. Denn nicht alle genehmigten Projekte werden auch tatsächlich gebaut.

Hinzu kommt, dass aufgrund der Einführung vom Berliner Mietendeckel die Baugenehmigungen in den letzen Monaten von 2019 bereits signifikant gesunken sind.

Baugenehmigungen Berlin
Quelle: Amt für Statistik Berlin Brandenburg, Hauskauf Blog

Und gerade dies ist wiedermal ein Beweis, dass der Mietendeckel auf keinen Fall die Wohnungsnot in Berlin lösen wird.

Ganz im Gegenteil: Der damit verbundene Vertrauensverlust wird dazu führen, dass Investoren ihre Projekte in andere Städte verlagern.

Der Mietenwahnsinn wird noch wahnsinniger

Die traurige Konsequenz ist daher, dass die Wohnungsnot in Berlin nur schlimmer wird, und dass der Berliner Mietenwahnsinn zahlreiche Neumieter oder jene, die umziehen müssen, umso stärker treffen wird.

Denn alle Mieter, die nicht auf dem offiziellen Markt eine Wohnung finden, sind gezwungen, eine überteuerte Wohnung auf dem Schwarzmarkt zu suchen, oder die Stadt zu verlassen.

Mieten für Mehrheit keine signifikante Belastung

Traurig ist ebenfalls, dass die Bewegung gegen den Mietenwahnsinn in Berlin nicht einmal unbedingt das Gefühl unter der Mehrheit der Mieter widerspiegelt. Denn in Deutschland sehen auch nur knappe 25% der Geringverdiener ihre Wohnkosten als eine schwere Belastung. Auch wenn diese deutschlandweite Zahl in Berlin etwas höher sein mag, wird diese auch unter Geringverdienern kaum einer Mehrheit entsprechen, da Durchschnittsmieten in Berlin nahe beim bundesweiten Durchschnitt liegen.

Quelle: KFW

Der Berliner Mietenwahnsinn, einer der Treiber hinter der Einführung vom Mietendeckel, ist somit eher eine laute Bewegung einer Minderheit als die Stimme der vernünftigen Mehrheit.

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