Zweckentfremdungsverbot: Hat es einen Zweck?

Zweckentfremdungsverbot

Der Mietendeckel wurde zwar vom Bundesverfassungsgericht gekippt.

Nicht nur bemühen sich die linksgrünen Parteien trotzdem um einen bundesweiten Mietenstopp. In Berlin verstärkt der rot-rot-grüne Senat außerdem immer wieder die Kontrolle über den Wohnungsmarkt, statt diesen durch Neubau zu entspannen. 

So soll mit einer Verschärfung des Berliner Zweckentfremdungsverbots gegen „illegale“ Ferienwohnungen noch härter vorgegangen werden.

Berliner Zweckentfremdungsverbot: Hintergrund

Im Jahr 2014 wurde das Berliner Zweckentfremdungsverbot (Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – ZwVbG) eingeführt. Dieses zielte darauf ab, die Nutzung von Wohnraum als Ferienunterkunft oder sonstiges Gewerbe stark einzuschränken. Hinzu kam, dass die Hotellobby sich zunehmend über den ihrer Meinung nach unlauteren Wettbewerb durch Ferienwohnungen beklagte. Denn Berlin ist die deutsche Stadt mit der höchsten Anzahl und Konzentration an Ferienwohnungen.

Quelle: AirbnbvsBerlin

Durch das Gesetz sollte die Berliner Wohnungsnot bekämpft werden. Dies indem „zweckentfremdete“ Wohnungen, welche als Ferienunterkunft oder Gewerbe genutzt, wieder zu Wohnraum umgestaltet wurden. Das 2014 in Kraft getretene Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz galt als eines der strengsten weltweit. Denn es sollte jegliche Vermietung von Wohnraum als Ferienunterkunft unterbinden.

Besonders betroffen fühlten sich Kleinvermieter, die nur ab und zu ihre Wohnung oder ein freies Zimmer als Ferienunterkunft anbieten wollten. Durch das sogenannte Homesharing verdienten diese Kleinvermieter ein zusätzliches Nebeneinkommen, von dem ihr Lebensunterhalt abhing. Wichtig ist, dass zu diesen Kleinanbietern von Ferienunterkünften auch Mieter gehörten, die ihre Wohnung oder einen Teil davon gelegentlich zur Untermiete anboten.

Schnell kam es zu Klagen, nicht nur von Portalen wie dem ehemaligen Airbnb Konkurrenten Wimdu, sondern auch von zahlreichen Kleinanbietern. Die Verfassungskonformität des Gesetzes wurde bald in Frage gestellt. Schließlich sprach sich am 6. April 2017 das Berliner Oberverwaltungsgericht gegen das ursprüngliche Zweckentfremdungsverbot aus, und beurteilte es als teilweise verfassungswidrig.

Neuauflage des Zweckentfremdungsverbots 2018

So regelte der Berliner Senat 2018 das Zweckentfremdungsverbot neu, um den zahlreichen unzufriedenen Teilzeitvermietern von Ferienunterkünften entgegenzukommen.

Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liegt laut dem überarbeiteten Zweckentfremdungsverbot-Gesetz von 2018 in den folgenden Fällen vor:

  1. Wenn Wohnraum „zur wiederholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder einer Fremdenbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen, genutzt wird“.
  2. Bei Leerstand von mehr als 3 Monaten.
  3. Bei gewerblicher oder beruflicher Nutzung einer eigentlichen Wohneinheit.
  4. Wenn die Bauart so stark verändert wurde, dass die Räumlichkeiten nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt werden können.
  5. Wenn Wohnraum beseitigt wurde.

Die Vermietung von Wohnraum als Ferienunterkunft ist aber mit einer Genehmigung des Bezirksamtes unter einer der folgenden Voraussetzungen erlaubt (laut § 3 Absatz 3 Nummer 3 ZwVbG):

  1. Bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz: Also wenn ein Vermieter von der gelegentlichen Untervermietung seiner Wohnung oder Teilen davon stark finanziell abhängt, und ohne diese nicht überleben könnte.
  2. Der Charakter als Berliner Hauptwohnung und Lebensmittelpunkt nicht angetastet wird, auch wenn während Abwesenheitszeiten die Wohnung anders als zu Wohnzwecken verwendet wird. Dies gilt z.B. für Flugbegleiter, die viel unterwegs sind, und in ihrer Abwesenheit ihre Berliner Hauptwohnung ab und zu als Ferienwohnung vermieten.
  3. Eine Nebenwohnung darf bis zu 90 Tage im Jahr zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden, vorausgesetzt, es ist die einzige Nebenwohnung im Land Berlin, und die Hauptwohnung liegt nicht dort, sondern woanders.

Keine Zweckentfremdung wenn über die Hälfte der Wohnung als Wohnraum genutzt wird

Wichtig ist außerdem, dass keine Zweckentfremdung vorliegt, falls mehr als die Hälfte einer Wohnung zu Wohnzwecken genutzt wird.

Hier ein Beispiel.

Eine 100 Quadratmeter große Wohnung hat zwei Schlafzimmer, eine Wohnküche und ein Badezimmer mit WC. Das zweite Schlafzimmer soll als Ferienunterkunft angeboten werden.

Das vom Vermieter benutzte Schlafzimmer ist 30 Quadratmeter (qm) groß, das zweite Schlafzimmer 20 qm, die Wohnküche, Flur und Badezimmer betragen insgesamt 50 qm.

Für die drei letzteren gilt laut Gesetz jeweils die Hälfte, also werden 30 qm (Schlafzimmer des Vermieters) plus die Hälfte der 50 qm Wohnküche, Flur und Badezimmer (also 25 qm) zu Wohnzwecken genutzt.

30 qm + 25 qm = 55 qm, also 55% der Wohnung wird zu Wohnzwecken genutzt.

Es liegt kein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot vor.

Möchte der Vermieter stattdessen das große 30qm Schlafzimmer als Ferienunterkunft vermieten, und zieht er in das kleinere 20qm Schlafzimmer, sieht es ganz anders aus, denn:

20qm + 25 qm = 45 qm, also nur 45% der Wohnung – weniger als die Hälfte – wird zu Wohnzwecken genutzt.

In diesem Fall verstößt der Vermieter gegen das Zweckentfremdungsverbot.

Jede Berliner Ferienwohnung benötigt eine Registrierungsnummer

Unterliegt eine Unterkunft dem Zweckentfremdungsverbot, so muss zur Vermietung als Ferienunterkunft beim Bezirksamt ein Antrag gestellt werden.

Wird der Antrag genehmigt, erhält der Vermieter eine Registrierungsnummer, welche auf Ferienwohnungsportalen wie Airbnb oder Homeaway im Inserat angegeben werden muss.

Umso seltsamer ist, dass der Berliner Senat – im Gegensatz zu Hamburg – sich jedoch weigert, mit Hilfe von Airbnb ein digitales Registrierungssystem aufzusetzen. Stattdessen laufen Anmeldungen für Ferienwohnungen in Berlin nach wie vor über Papier, und dauern dementsprechend wesentlich länger.

Zweckentfremdungsverbot: Was sich 2021 ändern soll

Dieses Jahr soll das Zweckentfremdungsverbot wie gesagt nochmals verschärft werden. Es werden die folgenden zusätzlichen Maßnahmen getroffen:

  1. Sowohl Internetportale als auch Printmedien dürfen keine Ferienwohnung anbieten, ohne gleichzeitig die dazugehörende Registrierungsnummer zu veröffentlichen.
  2. Es besteht neuerdings auch eine Auskunftspflicht für Beschäftigte und Beauftragte von auskunftspflichtigen Personen, zum Beispiel das für die Ferienwohnung zuständige Putzpersonal.
  3. Bisher konnte ein Objekt erworben und als Ferienunterkunft vermietet werden, das baurechtlich als Gewerbeeinheit qualifiziert ist. Dies unterliegt nämlich nicht dem Zweckentfremdungsverbot, da das Gesetz nur für Wohnraum gilt. Der neue Gesetzesentwurf sieht nun vor, die Registrierungspflicht auch auf als Ferienunterkünfte vermietete Gewerberäume zu erweitern. Das wäre abstrus, denn Gewerberäume dienen ja auch sonst nicht als Wohnungen. Sogar innerhalb von rot-rot-grün ist dieser Vorschlag umstritten.  

Hamburg setzt das Zweckentfremdungsverbot viel erfolgreicher um

Für die Bezirksämter in Berlin ist es nämlich schwierig, an die Namen und Daten der Anbieter der Ferienunterkünfte zu kommen. Airbnb ist eine reine Vermittlungsplattform, deren Daten in Irland gespeichert sind. Im Gegensatz zu Berlin hat Hamburg die Chance einer Zusammenarbeit mit Airbnb ergriffen und das Gesetz viel erfolgreicher umgesetzt.

Im September 2020 gelang es sogar einer Sondereinheit der Hamburger Steuerfahndung nach einem mehrjährigen juristischen Verfahren, Airbnb zu zwingen, die Daten von Vermietern zu steuerlichen Kontrollzwecken herauszurücken. Ob diese Daten auch mit dem Wohnungsamt geteilt werden können, um weitere Airbnb Vermieter ohne Genehmigung ausfindig zu machen, ist fraglich. Hamburg ist diesem Ziel aber damit viel näher gekommen, und andere deutsche Städte werden sicherlich versuchen, dem Beispiel Hamburgs zu folgen.

Beim Zweckentfremdungsverbot in München wurde bereits versucht, Airbnb zu zwingen, diese Daten trotzdem preiszugeben. Zwar hatte das Bayerische Landesgericht dafür entschieden, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof folgte der Auffassung der Vorinstanz aber nicht.

Nun will auch der Berliner Senat das Steuergeheimnis aufweichen, sodass man leichter den Vermietern von Ferienunterkünften in Berlin durch ihre Steuererklärungen auf die Spur kommen kann. 

Entwicklung des Angebots Berliner Ferienwohnungen

Vor dem In­kraft­tre­ten der zweiten Auflage des Zweckentfremdungsverbots erreichte die Anzahl Inserate 24.177 im dritten Quartal 2018 (Q3 ’18). Im folgenden Quartal (Q4 ’18) fiel sie auf 19.796. Dies kann zum großem Teil durch die Einführung der Registrierungspflicht erklärt werden.

Im ersten Quartal 2020 wurden in Berlin immer noch 18.372 Ferienwohnungen zur Vermietung angeboten – und im ersten Quartal 2021 lag die Zahl vorwiegend wegen der Corona-Krise nur noch mehr auf 11.686.

Als Ferienunterkunft angebotene Wohnungen in Berlin
Quelle: Airdna

Berliner halten sich nicht an das Zweckentfremdungsverbot

Bemerkenswert ist, dass mindestens 85% der Anbieter Mitte 2019 noch keine Registrierungsnummer hatten. Diese Statistik bezieht sich zwar nur auf eine Gesamtanzahl von 13.905 Wohnungen. Es ist also zu vermuten, dass der Anteil der Ferienunterkünfte ohne Registrierungsnummer noch höher ist, bezieht man die 1.882 registrierten Wohnungen auf die obige Zahl von ca. 19.500 Anzeigen. In diesem Fall wären es nämlich 90% der Unterkünfte ohne Registrierungsnummer.

Quelle: RBB, InsideAirbnb

Man kann davon ausgehen, dass ein Großteil der Ferienwohnungen schlichtweg nicht gemeldet wurden, und nur eine Minderheit der Anzeigen tatsächlich nicht dem Zweckentfremdungsverbot unterliegt (Gewerbeeinheit, 50 Prozent Regel).

Löst das Zweckentfremdungsverbot wirklich das Problem der Wohnungsnot?

Zwar zielt das Zweckentfremdungsverbot darauf ab, Wohnraum für Mieter wieder erneut zur Verfügung zu stellen. Jedoch stellen Ferienwohnungen nur ca. 1% der 1.9 Millionen Berliner Wohnungen dar. Von diesen Ferienunterkünften werden ungefähr die Hälfte sowieso von Vermietern selbstgenutzt, also nicht vom Wohnungsmarkt genommen.

Bei einem Neubaubedarf von mindestens 25.000 Wohnungen pro Jahr, erscheint diese Regelung also nicht einmal verhältnismäßig. Kein Wunder gab es dazu von Anfang an Zweifel von Verfassungsexperten, als das Zweckentfremdungsverbot in Berlin in Kraft trat.

Das Zweckentfremdungsverbot schadet der Berliner Wirtschaft

Das Berliner Zweckentfremdungsverbot ist somit nicht nur ineffektiv. Es führt außerdem zu Kollateralschäden sowohl für den Lebensunterhalt zahlreicher Berliner als auch für viele kleine Gewerbe.

Ferienwohnungen in Berlin liegen oft in Teilen der Hauptstadt, wo weniger Hotels zu finden sind. Also in typischen Berliner Kiezen wie Prenzlauer Berg (Schönhauser Allee, Prenzlauer Allee), Neukölln (Sonnenallee, Weserstraße) oder Friedrichshain (Boxhagener Straße), welche durch wachsenden Tourismus belebt und bereichert wurden.

Top 10 Airbnb Straßen in Berlin (Anzahl Anzeigen)
Quelle: AirbnbvsBerlin

Außerdem bieten Ferienwohnungen für zahlreiche Familien und junge Leute eine günstigere Unterkunftsmöglichkeit als Hotels. Ein strikt durchgesetztes Ferienwohnungsverbot wird sich daher langfristig negativ auf den Tourismus auswirken. Und weniger Ferienwohnungen wiederum bedeuten höhere Preise für Ferienunterkünfte und natürlich auch Hotels.

Hinzu kommt, dass weniger Tourismus in Kiezen, wo das Hotelangebot ansonsten gering ist, auch der lokalen Wirtschaft schadet. So werden kleinere Cafés, Läden oder Restaurants sich nicht mehr über die Kundschaft von jenen Touristen freuen können, die bevorzugten, eine Wohnung in Neukölln oder Wedding zu mieten statt in einem Hotel am Alexanderplatz unterzukommen.

Leider wird – ähnlich wie beim Mietendeckel – mit dem Zweckentfremdungsverbot dem Wohnungsmarkt keineswegs geholfen. Ganz im Gegenteil – es schafft lediglich ein neues Bürokratiemonster und schadet gleichzeitig der Berliner Wirtschaft, ohne dass das Problem der Wohnungsnot auch nur ansatzweise gelöst wird.

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