Kaum ist das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie in Kraft getreten, fallen Mieten bereits aus. Und dies nicht nur von privaten Haushalten, sondern auch von Konzernen wie Galeria Kaufhof oder Deichmann. So ein Ausfall kann insbesondere Kleinvermieter sehr schnell belasten, zumal die Bundesregierung bis jetzt nur Coronahilfe für Mieter, aber nicht für Vemieter versprochen hat. Diese Lage könnte sich schnell negativ auf Immobilienpreise auswirken. Welche Anzeichen für einem Immobiliencrash bereits vorliegen, bespreche ich hier.
Phasen einer Spekulationsblase: Die ersten Anzeichen für einen Immobiliencrash
In Zeiten einer Immobilienblase folgt auf die Euphorie (Phase 3 einer Spekulationsblase, auch „Mania Phase“ genannt) die finanzielle Not (Phase 4, auch „Blow Off Phase“).
Insider und Experten beginnen zu verkaufen. Die Preise fangen an zu fallen. Die Masse sieht die niedrigeren Kurse vorerst als Kaufgelegenheit.
Hauskauf Blog: Die 5 Phasen einer Spekulationsblase, und wie du sie erkennst, 28. November 2019
Die verschuldeten Marktteilnehmer geraten aber bei fallenden Kursen in finanzielle Not und müssen verkaufen, was zu weiteren Kurseinbrüchen führt.
Nun kommen auch finanzielle Unregelmäßigkeiten ans Licht, z.B. von Firmen, die ihre anfänglichen Verluste verschleiern wollten, oder deren Geschäftsmodell von Anfang an nur darauf abzielte, auf dubiose Art durch den Boom Geld zu verdienen.
Während dieser Phase wird von den meisten – vor allem Privatinvestoren – noch geleugnet, dass wir uns am Anfang eines Abschwungs befinden. Positiv ist aber, dass bei einem Immobiliencrash im Gegensatz zu einem Börsencrash nicht leicht nachgekauft werden kann, wie viele Kleinanleger es nach einem Absturz der Aktienmärkte tun (die sogenannte „Bull Trap“: Aktien sind gefallen, daher wird gekauft, bevor sie danach weiter fallen).
Daher ist ein Immobiliencrash viel schwieriger zu beobachten, und verläuft langsamer. Im Gegensatz zum Aktienmarkt wird man nicht täglich die Preisveränderungen verfolgen können. Immobilienangebote bleiben länger auf dem Markt, irgendwann werden Preise gesenkt, und später zu einem (noch) niedrigeren Preis verkauft. Umso wichtiger ist es in diesen Zeiten, den Markt vor einem Immobilienkauf genau zu beobachten, wie in meiner Hauskauf Checkliste besprochen.
Führt die Coronakrise also zu einen Immobiliencrash? Jetzt zu den aktuellen Anzeichen und Signalen, die dafür oder dagegen sprechen.
Absturz anderer Anlageklassen
Einer der Treiber eines Immobiliencrashs ist, dass private Haushalte und auch viele Gewerbe einen Liquiditätsengpass erleiden. Dies aufgrund geringerer Einnahmen oder auch, weil andere Anlageklassen (z.B. Aktien) abgestürzt sind. Das ersparte Geld hat sich verringert, was dazu führen kann, dass nun Immobilien veräußert werden müssen, um einen Liquiditätsengpass zu decken.
Aktienmärkte sind seit Ende Februar 2020 um bis zu 35% gefallen. Andere Anlageklassen haben ebenfalls Kurseinbrüche erlitten, wie z.B. Rohstoffe (insbesondere der Ölpreis) oder Kryptowährungen.
Man kann in diesem Fall somit eindeutig von einem klaren Anzeichen für einen Immobiliencrash reden.
[optin-monster-shortcode id=“otouric9n3bwihf77zaw“]Anstieg der riskanten Immobilienkredite
Die Volumen der Immobilienkredite privater Haushalte in Deutschland sind zwischen 2011 und 2018 um 29 Prozent gestiegen. Dies liegt jedoch auch am Anstieg der Immobilienpreise. Außerdem ist die gesamte Zinslast dank den niedrigen Zinsen signifikant gesunken. Es stimmt aber, dass die Risikovorsorge – also die Kapitalpuffer – der Banken in Deutschland in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat.
Banken in Deutschland bleiben wesentlich vorsichtiger mit der Vergabe von Darlehen als jene in den Vereinigten Staaten vor der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009. Die geringere Risikovorsorge in Deutschland ist sicherlich nicht erfreulich, sollte aber nicht überinterpretiert werden.
Inversion der Zinsstrukturkurve
Die Zinsstrukturkurve ist die Darstellung der Zinssätze für Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten. Eine normale Zinsstrukturkurve ist steigend und bedeutet daher, dass längerfristige Anleihen höhere Zinsen erwirtschaften, vorwiegend aufgrund einer Risikoprämie, welche Anleger belohnt.
Bei einer inversen Zinsstrukturkurve ist es umgekehrt: Zinsen auf langfristige Anleihen sind hier niedriger angesichts schwacher Erwartungen in Bezug auf den zukünftigen Konjunkturverlauf. Ein inverse Zinsstrukturkurve ist oft ein zuverlässiges Signal einer baldigen konjunkturellen Verlangsamung.
Die Zinsstrukturkurven Deutschlands und der USA sind momentan normal und nicht invers. Die kurzfristigen Zinsen sind extrem niedrig, langfristig steigend. Hier sind also keine klaren Anzeichen eines wirtschaftlichen Abschwungs zu sehen, auch wenn im Sommer 2019 in den USA eine inverse Zinsstrukturkurve zu beobachten war.
Schnell steigende Zinsen
Steigende Zinsen sind negativ für Immobilienpreise, weil Kredite teurer werden. Dies ist ein besonderes Risiko für Darlehensnehmer, die das Ende ihrer Zinsbindungsfrist erreichen und somit nur zu einem höheren Zinssatz ihr Darlehen refinanzieren könnten.
Gerade angesichts der Coronakrise hat die Europäische Zentralbank im März 2020 den Leitzins auf einem Allzeittief belassen, und außerdem ein Maßnahmenpaket zur Hilfe in der Coronakrise angekündigt. Dieses umfasst günstige Kredite sowie weitere Anleihenkäufe.
Ein Risikofaktor für die Zinsen auf Immobilenkredite ist die höhere Staatsverschuldung als Folge des Rettungsschirms der Bundesregierung. Steigt dadurch der Zins auf Staatsanleihen, werden auch Immobilienkredite teurer.
Dies ist jedoch eher ein langfristiges Risiko für den Immobilienmarkt. Kurzfristig werden Immobiliendarlehen höchstwahrscheinlich niedrig bleiben.
Änderung der Besteuerung von Mieteinnahmen oder von Veräußerungsgewinnen
Eine Änderung der Besteuerung von Mieteinnahmen oder der Veräußerungsgewinne kann sich deutlich auf Immobilienpreise auswirken. Das Beispiel Großbritanniens zeigt, dass schon vor dem Brexit Votum die Immobilienpreise unter Druck kamen. Dies angesichts einer Reduktion der Steuerentlastungen auf die Zinsausgaben von Immobilien Investoren.
Zumindest bis jetzt hat es in Deutschland in dieser Hinsicht keine großen Veränderung gegeben. Ob früher oder später sich etwas an der Spekulationsfrist für Veräußerungsgewinne ändert, ist vorstellbar, momentan aber kaum zu erwarten.
Zunehmende Regulierung des Immobilienmarkts
Die Mietpreisbremse und deren Verschärfung, die Kappungsgrenze und der Berliner Mietendeckel: Der deutsche Immobilienmarkt wird immer strikter reguliert. Dies reduziert das Renditepotential und wird, vor allem im Falle des Mietendeckels, auch zu mehr Veräußerungen von Immobilien führen. Hinzu kommt, dass bei einer potentiellen Grün-Rot-Rot (Grüne, SPD, Linke) Regierung auf Bundesebene ein Mietendeckel bundesweit vorstellbar wäre.
Überproportionaler Anstieg des Angebots
Zwar ist es denkbar, dass mehr Immobilieneigentümer aus Liquiditätsgründen ihre Immobilien veräußern werden. Dies könnte auch zu Druck auf die Preise führen. Jedoch bleibt Wohnraum in Deutschland knapp, und es wird nach wie vor zu wenig gebaut.
Im Gegensatz zu der Lage vor dem Immobiliencrash in den Vereinigten Staaten, Spanien oder Irland während der letzten Finanzkrise, leidet der Immobilienmarkt in Deutschland nicht unter dem Problem eines Überangebots.
Warnungen von Aufsichtsbehörden
Warnungen von Aufsichtsbehörden oder Institutionen sind oft auch ausschlaggebende Frühwarnsignale für einen Immobiliencrash.
Im September 2019 warnte der Europäische Systemrisikorat (European Systemic Risk Board, ESRB) Deutschland zum ersten Mal aufgrund der hohen Immobilienpreise und des starken Preiswachstums in bestimmten Städten und Regionen. Es wurde ebenfalls auf eine gewisse Lockerung der Kreditstandards hingewiesen, auch wenn dies auf unvollständigen Daten beruhen mag.
Fazit: Uneinheitliche Signale
Zwar gibt es aufgrund der Coronakrise Grund zur Sorge, auch für den Immobilienmarkt. Die oben besprochenen Signale sind jedoch uneinheitlich. So sorgen insbesondere niedrige Zinsen und ein weiterhin knapper Markt für Wohnimmobilien dafür, dass bei leicht fallenden Preisen bald wieder mit mehr Käufern zu rechnen ist. Natürlich ist auch dies aber nur vorstellbar, wenn die Wirtschaft nicht vollkommen einbricht.
Wichtig ist daher folgendes: Kann die Welt wieder zu einem mehr oder weniger normalen Zustand bis Ende Mai 2020 zurückkehren, werden die meisten größeren Firmen nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sein. Viele private Mieter werden auch in der Lage sein, ein oder zwei Monate Miete im Notfall aus ihren Ersparnissen zu zahlen, oder mit Hilfe von Freuden, Familie oder ihrer Bank (z.B. Dispo- oder Ratenkredit).
Hinzu kommt, dass Regierungen und Zentralbanken diesmal äußerst schnell eingesprungen sind. Ein richtiges Problem hätten wir, sollte die Coronakrise viel länger dauern.
Bis jetzt ist der Immobilienmarkt in einem künstlichen Koma. Und gerade hier müssen Regierungen verantwortlich handeln: Denn irgendwann könnte der wirtschaftliche Schaden für die Gesellschaft größer werden als jener des ihn verursachenden Virus.